Es ist eine sehr einfache Logikübung: Unsere Ausscheidungen enthalten Nährstoffe, die wir aktuell als Abfall behandeln. In der Landwirtschaft werden genau diese Nährstoffe benötigt und wir gewinnen sie unter hochproblematischen Bedingungen. Was liegt also näher, als diese beiden Puzzleteile zusammenzuführen? Die Hürde ist, dass unsere Ausscheidungen eben nicht nur Nährstoffe enthalten, sondern auch Krankheitskeime oder Arzneimittelrückstände darin zu finden sein können. Die gute Nachricht, es geht beides: Kreislauf und Sicherheit. Die noch bessere Nachricht: es bewegt sich was!
Schnellübersicht
Wie ist es regulatorisch aktuell mit der Verwertung von deinem und meinem Human Output?
Bei dir im Garten kannst du ohne Bedenken selbst kompostieren. Erst ab 100 Tonnen pro Jahr ist eine Verarbeitung in der Schweiz bewilligungspflichtig. Auch wir könnten also einen relativ grossen Anteil noch selbst kompostieren – tun das aber nur im kleinen Stil, weil es ein paar Dinge braucht, um wirklich eine bessere Erde zu machen. Und das ist 1. viel Zeit, 2. viel Platz, 3. viel Material zum Beimischen, 4. die richtigen Maschinen und natürlich 5. das Know-how für industrielle Kompostierung. Deshalb arbeiten wir mit Partnern zusammen, die diesen Schritt für uns übernehmen. Zum Beispiel die Bauschule Kunz in Uster. Sie arbeitet nach dem Verfahren von Urs Hildebrandt und produziert rund 3’500 Tonnen hochwertigen Qualitätskompost jährlich. Heisst, sie braucht eine Bewilligung, um unser Material annehmen zu können. Weil Trockentoiletteninhalte in der heutigen Gesetzgebung nicht vorgesehen sind, ist es unklar, ob die Anlagen sie annehmen dürfen oder nicht. Es gibt Klärschlamm einerseits und verschiedene organische Abfälle andererseits, aber keine eindeutige Zuordnung von deinem und meinem Human Output. Es gibt allerdings einen entscheidenden Unterschied zwischen Klärschlamm, Gülle und Düngemitteln auf der Basis von menschlichen Ausscheidungen: Human Output wird vor dem Ausbringen bearbeitet.
Was passiert im Pilotprojekt in Uster?
Bei einem geschlossenen Sanitär- und Nährstoffkreislauf werden gesammelte Toiletteninhalte nicht wie bei der Gülle direkt eingesetzt, sondern prozessiert. Dadurch verändert sich das Material und Schadstoffe oder Pathogene können beseitigt werden. Zu zeigen, dass durch Kompostierung ein unbedenklicher und qualitativ hochwertiger Humusdünger entstehen kann, ist das Ziel eines Impact Projekts von Kompotoi zusammen mit VaLoo, der Baumschule Kunz in Uster und verschiedenen assoziierten Wissenschaftler:innen, das in 2022 gestartet ist und durch den Migros-Pionierfonds ermöglicht wurde. Eine Kompostierung unter realen Bedingungen wird sowohl im Prozess begleitet als auch die Ergebnisse geprüft: Gibt es Probleme mit Sickerwasser während der Kompostierung? Sind Schad- oder Spurenstoffe im Endprodukt enthalten? Etc.
Spoiler: Eine Verwendung der entstandenen Komposterde in Gartenbau oder Landwirtschaft ist absolut unbedenklich.
Wie kompostiert wurde
In langen Dreickecksmieten wurde die braune Materie auf dem Gelände der Baumschule Kunz in Uster kompostiert. Rund 15 vol% hat der Anteil der Trockentoiletteninhalte der ersten Charge ausgemacht, der Rest sind Zuschlagstoffe wie Grünschnitt, reifer Kompost oder Boden. Die Miete wurde zuerst auf Temperatur gebracht und anschliessend die Trockentoiletteninhalte beigemischt. So kann über die Hitzebehandlung eine Hygienisierung erfolgen. Die Heissrottephase ging über sechs Wochen bei einer Mindestverweilzeit von drei Wochen über 55°C, die Veredelungsphase, die zur Stabilisierung der Nährstoffe im Kompost führt, weitere sechs Wochen.
Was sind die Ergebnisse?
Was wurde überhaupt gemessen?
Bevor wir auf die Ergebnisse gucken, ein Blick darauf, was überhaupt getestet wird – das ist nämlich regulatorisch noch nicht festgelegt.
Zunächst gibt es generelle Anforderungen an Komposte, in der Schweiz festgelegt über die Düngerverordnung (DüV), die Chemikalien-Risikoreduktions-Verordnung (ChemRRV) und die Qualitätsrichtlinie Kompost und Gärgut (nicht bindend). Hier sind Parameter zu Kompostqualität, Pflanzenverträglichkeit, Nährstoffgehalt oder Belastung mit Schwermetallen oder Fremdstoffen (also: Müll) geregelt. Düngeprodukte aus Human Output können zusätzliche Belastungen aufweisen. Hier sprechen wir eben von Pathogenen und Arzneimitteln. Die in Deutschland 2020 veröffentlichte DIN SPEC (also: ein Werk, das einen Standard erstmalig definiert) macht konkrete Vorschläge, was dafür betrachtet werden soll, und teilweise auch, welche Grenzwerte eingehalten werden sollten. Ob und welche dieser Parameter langfristig zur Qualitätskontrolle gemessen werden sollten (Abwägung zwischen maximaler Sicherheit und praktischer Sinnhaftigkeit/Machbarkeit), wird sich jetzt Stück für Stück an den Feldversuchen unter Realbedingungen zeigen.
Was kam denn jetzt raus?
- Qualitätstest locker bestanden:
Für die Kompostqualität zeigt sich, dass die Nährstoffe alle im gewünschten Bereich sind. - Kein Problem mit groben Verunreinigungen:
Weil Müll, der leider immer wieder in die Toilette geworfen wird, im Prozess bereits vorher konsequent entfernt wurde, gab es keine Probleme mit Fremdstoffen. - Schwermetalle – ein Thema bei Klärschlamm, nicht bei Trockentoiletten:
Eine Belastung mit Schwermetallen ist, wie zu erwarten, unter den Grenzwerten: Menschliche Ausscheidungen enthalten kaum Schwermetalle und Einstreu oder Klopapier sind ebenfalls keine grösseren Quellen. Sogar in Gartenkompost ist der Anteil höher. - Gesundheitlich unbedenklich:
Die Hygienisierung in der Heissrottephase hat in der Testmiete ganze Arbeit gegen Krankheitserreger geleistet. Salmonellen konnten gar keine gefunden werden, E. Coli, Enterokokken und Clostridium perfringens (und Sporen) waren unter der Bestimmungsgrenze. - Besonders gründlich untersucht:
Im Rahmen eines Postdoktorats an der ETH Zürich wurde die Kompost-Probe in Zusammenarbeit mit Agroscope und der Eawag sogar auf mehrere Dutzend Arzneimittel untersucht. Einzig das Antiepileptikum Carbamazepin war in Spuren nachweisbar. Für eine Grösseneinordnung seit hier auf einen Feldversuch von Forscherinnen des IGZ Leipzig verwiesen, die verschiedene Düngemittel an Weisskohl getestet haben. Auch hier wies nur Carbamazepin einen minimal erhöhten Wert in den essbaren Teilen der Pflanzen auf. Um den Wirkstoff für eine Tablette des Präparats zu erhalten, hätte man allerdings über 521 000 Weisskohlköpfe essen müssen.
Wie ist die Reaktion darauf seitens der Behörden?
Die Ergebnisse sprechen also für ein unbedenkliches und qualitativ hochwertiges Endprodukt, so dass rein nach Analysedaten sowohl der weiteren Kompostierung als auch dem Ausbringen der Chargen nichts im Wege steht. Und tatsächlich haben diese ersten Ergebnisse etwas ins Rollen gebracht:
Nach Erhalt des Zwischenberichts im Sommer wollte die zuständige Ansprechperson vom AWEL sich bei der nächsten Anlieferung der Trockentoiletteninhalte auf dem Gelände der Baumschule selbst ein Bild machen. Nach einem regen Austausch vor Ort erfolgte ein Treffen zwischen AWEL, BAFU, VaLoo und Kompotoi. Die Zeichen stehen gut, dass es mittelfristig Empfehlungen für ein Vorgehen geben wird. Und es finden sich auch in der Verwaltung immer mehr Fürsprecher:
“Die Kompostierung und Verwertung von Inhalten aus Trockentoiletten ist begrüssenswert, da dadurch Nährstoffkreisläufe geschlossen werden können. Das setzt voraus, dass die Qualitätsrichtlinien eingehalten werden und die Kompostierung auf einer professionellen Anlage durchgeführt wird. Da mit den Versuchen gezeigt wurde, dass die Inhalte der Trockentoiletten nach der Kompostierung bedenkenlos als Dünger oder Bodenverbesserer eingesetzt werden können, empfiehlt sich darum die Aufnahme in die Liste der zur Kompostierung oder Vergärung geeigneten Abfälle, ” sagt Serge Braun vom ALN.
Und es geht weiter: Die nächsten Proben wurden erhoben, die ersten Ergebnisse kommen rein und – soviel sei schon verraten – sehen wieder gut aus. Wir sind zuversichtlich, dass es um den Jahreswechsel herum ein Follow-up der nächsten Analysedaten geben wird. Es ist also – endlich – wirklich Bewegung in der Kompostierungsfrage!
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